Missionsarbeit und Medizinische Unterstützung in Bolivien
„…damit die zunehmende Gnade durch die Vielen den Dank
überfließen lasse zur Ehre Gottes.“
2.Kor. 4,15b
Charagua – eine Meile mit dem Herrn
Die Anfangszeit unserer Anwesenheit hier in Bolivien war von viel Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft geprägt. Die ersten Schritte, die wir taten, waren darauf ausgelegt in Kontakt mit Menschen zu kommen. Das persönliche Orientieren und Gestalten des privaten Lebens nahm erst in späterer Zeit Gestalt an. Wir waren vorerst ganz auf das Ziel und die damit verbundene Aufgabe ausgerichtet. Private Belange beschränkten sich auf das nötige tägliche Weiterkommen, denn die Arbeit nahm schon bald stark zu.
Zunächst schien es ohne großen Erfolg für die Zukunft zu sein, wenn wir nahezu einsam die Menschen bedienten. Doch hat es uns auch viel Freude bereitet und heute können wir rückblickend sehen, wie Gott uns in seiner Allmacht durchgetragen, gesegnet und uns ausgestattet hat. Wir wurden von seiner unsichtbaren Hand geführt.
Gott hat ganz klare Visionen und Pläne für die Menschen und hat auch uns, dort, wo er uns hingesendet hat, in seine Arbeit mit eingebunden, ohne dass wir die klare Sicht dafür hatten. Was uns übrig blieb, war, in die allmächtigen Hände zu fallen, so wie es jeder tut, der den nächsten Schritt nicht mehr erkennen kann.
Mit dem tiefen Bewusstsein, dass ER es war, der uns in dieses Land gebracht und die Wege für uns gebahnt hatte, war es aber durchaus schön, jeden Tag seine Gnade zu erleben.
Wir freuten uns über Erlebnisse, die wir früher gar nicht in Betracht gezogen hätten, z.B. dass wir mit jemandem singen konnten. Was ist schon dabei?! Aber im Hinblick darauf, dass es für jemanden, der zum ersten Mal diese Lieder singt, ein besonderes Erlebnis sein kann, welches der Anfang eines ganz neuen Lebens ist, tritt solch ein Singen in ein ganz anderes Licht.
Wir freuten uns, wenn uns jemand eine Frage stellte oder wenn man sich dafür interessierte, wie wir unser geistliches Leben gestalteten. Doch wir wagten es noch nicht, frei zu erzählen, was wir aufgrund der Bibel anders sehen. Ich glaube, dass sie es uns aufgrund der Tatsache, dass wir ihr Leben und ihre Einstellung zu vielen Fragen und Lehren der Bibel noch nicht kannten, gar nicht abgenommen hätten. Das ist übrigens auch bis heute ein zu beobachtendes Phänomen: Menschen, die als „Besserwisser“ daherkommen, sind bei ihnen nicht willkommen und haben keinen Einfluss.
Die täglichen medizinischen Behandlungen der zu uns kommenden Menschen wurden bald zu einer dermaßen einnehmenden Arbeit, sodass viele Aspekte der eigentlichen zukünftigen Mission erstmals verschleiert blieben. Erst nachdem andere Diener dazu kamen, die nicht in der medizinischen Versorgung involviert waren und ganz andere Möglichkeiten besaßen, sich ihre Zeit einzuteilen und Bibelstunden zu organisieren, konnte man die schwachen Umrisse der eigentlichen Missionsarbeit erkennen. Der Weg, den Menschen zu begegnen, war mühsam, weil der Ansturm – wie groß er auch sein mochte – ein vorsichtiges Verhalten erforderte, um die zu der Zeit sehr weite Tür nicht durch unvorsichtiges Handeln zuzuschieben. Dieser vorsichtige Umgang hat sich mit der Zeit bei uns so tief eingeprägt, dass es bis heute seine Spuren trägt.
Eine durchaus positive Beobachtung macht sich in der heutigen Zeit bemerkbar, dass die guten Bekanntschaften aus der Anfangszeit so starke Bindungen mit sich gebracht haben, dass sie sogar dem starken Druck der Gegenarbeiter aus den Kolonieleitungen standhalten. So können wir heute hauptsächlich auf das damals entstandene tiefe Vertrauen zurückgreifen, welches mit der Zeit gewachsen ist und auch durch unsere Reaktionen in verschiedenen Situationen gestärkt wurde.
Es braucht oft Zeit, um mit einem Menschen in einen wirklichen Kontakt zu kommen. Es ist nicht immer nur die Leistung, die letztendlich zählt, wenn auch die medizinische Hilfe und ihre Auswirkung nicht wenig dazu beiträgt. Es ist vielmehr die Art, wie wir diesen Menschen begegnen und ihnen entgegentreten.
Wenn die Menschen um uns herum merken, dass wir sie nicht nur beurteilen, sondern mit ihnen mitfühlen und uns mit ihnen mitfreuen oder mittrauern, ändert sich ihre Herzenseinstellung uns gegenüber. Ein Vertrauen benötigt viel Zeit, um auf diese Weise zu wachsen, doch wenn es erst da ist, hält es manchen Stürmen stand. Wenn wir heute, nach sieben oder acht Jahren, Menschen begegnen, hat die Begegnung eine ganz andere, vertrauensvolle Basis. Es ist schön zu wissen, dass sie uns und unsere Einstellung kennen und auch wissen, dass wir einen Gott haben, den wir lieben. Der gemeinsame Weg der vergangenen Jahre ist eine schöne gemeinsame Geschichte, die uns verbindet und die Frucht davon ist das Vertrauen.
Welche Bedeutung hat unser heutiges Handeln für die Zukunft?
Ich erinnere mich an eine Begebenheit, bei der wir als Familie aus Neugier zum Mittagessen eingeladen worden waren. Staunend und doch schweigend nahmen wir z.B. ihre Gewohnheit hin, dass das Mittagessen sonntags um 10 Uhr stattfindet. Nur so konnte so etwas wie Freundschaft entstehen, weil wir uns auf ihre Gewohnheiten einstellten. Die Kinder, die wir damals kennengelernt haben, sind uns heute immer noch sehr liebe Bekannte, die jedoch schon groß geworden sind. Von den damaligen Jugendlichen sind heute schon viele verheiratet und haben selbst Kinder. Die gemeinsame Zeit mit diesen Menschen ist etwas, das wir sehr schätzen und wir sehen es als Gnade an, mit ihnen ein Stück des Weges zusammen gegangen zu sein. Wir durften ihnen mit unserem Leben ein Zeugnis geben. Dieses Zeugnis redet vorsichtiger, aber eindringlicher, tiefer und unmissverständlicher als jedes Wort.
Manchmal blieb uns beinahe nichts anderes übrig, als zu handeln und Menschen zu dienen und wir versuchten jeden Umstand zu meistern. Auch wenn wir das Gefühl hatten ausgenutzt zu werden, machte es uns nicht so viel aus, da uns die Ziele der Arbeit motivierten.
Einige Situationen waren für die Erreichung unserer Ziele sehr geeignet. Eines Tages musste ein Mädchen mit geplatztem Blinddarm dringend in die Stadt gebracht werden. Normalerweise dauert diese Fahrt sechs bis sieben Stunden, doch da die Kranke das schnelle Fahren bei den schlechten Straßenverhältnissen nicht ertrug, zog sich die Fahrt noch länger hin und in dieser Zeit wurde das Fundament einer langen, guten Freundschaft gelegt.
Vor kurzem, nach fast acht Jahren, wandte sich die Mutter des nun jugendlichen Mädchens wieder vertrauensvoll mit einer medizinischen Frage an uns. Es nützt nichts, die Menschen missionieren zu wollen, wenn man zugleich auf sie und ihren Lebensstil herabblickt. Ihr düsteres Leben und das ständige Bemühen ohne Frieden alles richtig machen zu wollen, verklagt ohnehin fortwährend ihr Inneres. Sie sehnen sich nach Ruhe, nach innerem Frieden und nach einem Leben ohne Angst. Sie brauchen Liebe und Ruhe. Dieses mussten wir erst verstehen und dazu hat die vergangene Zeit beigetragen. Das Ziel, den Herrn wirken zu lassen, wuchs durch die Unsicherheit und Undurchsichtigkeit der Situation. Die Abhängigkeit vom Herrn war so stark zu fühlen, sodass uns bis heute die daraus entstandenen Früchte rückblickend seine Gnade bestaunen lassen. Eigene Pläne zu machen war damals nicht am Platz, weil die Umstände uns Dinge lehrten, die wir für den nächsten Schritt brauchten. Gott ist so gnädig. Er hat uns bei so manchem Einzelfall an seiner Führung teilhaben lassen, die uns mit Paulus einstimmen ließ: „Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch gedenke.“ Phil. 1,3
Uns machte aber auch die ablehnende Reaktion der Mennoniten auf die biblische Lehre, und somit auch trotz aller Bemühungen auf uns, sehr traurig. Und an dieser Stelle fühlten wir mit so mancher Situation des Apostel Paulus mit, in der er Ablehnung erlebte. Wir können anderen das Evangelium vorlegen, aber es bleibt jedem selbst überlassen sich für Gottes Angebot zu entscheiden oder nicht.
Der Herr ist heute wie damals, als er Jona, Paulus, Barnabas oder Petrus aussandte, noch derselbe. Er möchte dich und mich in seinen Plan einbinden, um anderen dabei zu helfen zum Glauben zu kommen. „… denn der Sohn des Menschen ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ Lk. 19,10
Wie hat er die Menschen so lieb! Er sucht und sucht, er handelt und wartet, straft, zieht, liebt, schützt, bis eine irrende Seele, wie du und ich, in seine Arme findet. So fährt er fort, wenn er uns zu denen sendet, die ihn noch finden müssen. Bei dieser Aufgabe, die der Herr uns verleiht, ist der innere Friede unabdingbar, der uns die starke und vertraute Hand des Herrn spüren lässt und das Wissen der Verbindung mit ihm schenkt.
Wir haben es oft erlebt und sagen es bis heute in so vielen Situationen: „Es ist der Herr!“ Umso schöner ist es, wenn auf einmal Menschen, mit denen wir zu tun hatten und um die wir besorgt waren, auch dasselbe sagen. Dies erlebten wir neulich auf einer Beerdigung, als der Leiter einer Kolonie auf mich zuschritt und die Heilung seines Sohnes bezeugte: „Unser Sohn ist heil geworden.“ Ich erwiderte ihm: „Es hat der Herr getan!“ Und er stimmte vor der ganzen Menge, die uns zuhörte, mit ein: „Ja, das hat Gott getan!“
In solchen Situationen ist es erfüllend, wenn sie es auch sehen und bezeugten, dass es das Werk des Herrn ist. Durch solche Erlebnisse kommen wir ihnen näher.
Gottes Werk ist nicht an Umstände gebunden, aber er bindet Menschen mit in sein Werk ein.
Hier einige Beispiele:
Jakob Neufeld:
Vor längerer Zeit kam ein Ehepaar zu uns, dessen Frau seit langem ein Leiden hatte. Wir behandelten ihre chronischen Wunden und so entstand ein guter Kontakt. Als Ausdruck ihrer Dankbarkeit brachten sie uns manches Mal etwas Gutes vorbei. Einige Male war es sogar ein Hühnerbraten. Der Mann selbst war der Verwandte einer Familie, die ihren Vater verloren hatte und war somit zum Pflegevater (hier „Gutsmann“ genannt) für die verwaisten Kinder gewählt worden.
Als einer dieser Waisen, der nun schon verheiratet und Familienvater von vier Kindern war, in einer Notsituation keinen Ausweg wusste und sich an uns wandte, versuchten wir ihm Hilfe zu bieten. Doch welche Möglichkeiten hatten wir? Geld war nicht der richtige Weg in dieser Lage. Also luden wir sie nach einem längeren Gespräch zu weiteren Treffen mit uns ein. Bei einem dieser Zusammenkünfte gab es eine Gelegenheit das gemeinsame Abendessen bei uns mit einem Zeugnisabend zu verbinden, welchem diese Familie nun beiwohnte. Danach bekam das Ehepaar (Jakob Löwen und Agatha Wiebe) sich im Lichte Gottes zu sehen und als ich sie wie versprochen in den darauffolgenden Tagen besuchte, und ihnen den Weg des Heils anhand der Bibel vorlegte, bekehrten sich beide, der Mann und die Frau, aufrichtig zum Herrn und wurden glückliche Kinder Gottes. Der Unterschied zu ihrem alten Leben war so groß, dass sie sich bald, noch kurz vor der Quarantäne im Februar 2020, dazu entschlossen, aus der Kolonie zu uns ins Dorf zu ziehen, wo wir mit ihnen Gemeinschaft pflegen konnten.
Als der Pflegevater/Gutsmann Jakob Neufeld von ihrem Auszug aus der Kolonie hörte, wurde er unwillig und sagte: „Wenn sie so klug sind und ohne uns auskommen können, dann sollen sie die Schulden, die sie noch in der Kolonie haben, sofort bezahlen.“ Sie hatten Schulden und diese zu begleichen war für sie keine leichte Aufgabe.
Doch sie strengten sich an und mit Gottes Hilfe konnten sie sie auch bald begleichen. Einige Jahre vergingen und der Gutsmann erlitt einige sehr ungerechte Behandlungen seitens der Kolonie. Als erstes wurde sein Kind in der Schule misshandelt, dann wurden verschiedene Lügen über ihn verbreitet und er wurde sehr ungerecht behandelt. Eines Tages kam er ganz verzweifelt zu uns nach Hause und sagte: „Eigentlich dürfte ich es dir gar nicht erzählen, aber was soll ich tun? Ich bin am Ende!“ Er fragte um Rat und wir suchten einen Weg, um ihm zu helfen. Noch einige Male stattete er uns einen Besuch ab und suchte Hilfe bei uns, obwohl er doch früher so fest in seiner Überzeugung und so kolonietreu war. Ich sagte ihm, dass dies sein Hunger nach Gerechtigkeit sei. Deshalb käme nur Gott in Frage ihm zu helfen, aber dafür müsse er sich auf Gottes Seite stellen. Ich las mit ihm in der Bibel und erklärte ihm einige Bibelstellen. Für das nächste Treffen bat ich ihn, seine uns gut bekannte Frau mitzubringen. Wir fanden im Laufe des Tages Zeit, zusammen das Wort Gottes zu lesen, während er bei uns eine Infusion erhielt. Er ist weiterhin unser Gebetsanliegen, weil er noch nicht bekehrt ist und sich vermutlich wieder der Kolonie zugewandt hat. Er wohnt in einer Kolonie, die mehrere Stunden weit von uns entfernt ist. Wir möchten für diese Familie beten. Hier verschmelzen die medizinische Arbeit und die geistliche Betreuung so stark, dass man es nicht mehr voneinander trennen kann. Wir bitten dafür zu beten, dass Gott uns die Weisheit schenkt, mit dieser Familie richtig umzugehen.
Anna Fehr:
Anna Fehr ist Mutter von sieben Kindern und lebt in einer Kolonie. 2017 lernten wir sie durch ihren Vater kennen, der dringend Hilfe suchte. Bald darauf wurden wir mit mehreren Mitgliedern der Familie bekannt. Es trug sich so zu, dass wir bei Annas Mutter einen alten Behandlungsfehler an ihrem amputierten Fuß weitgehend beheben konnten, sodass sie dadurch nach fast 30 Jahren wieder ohne Krücken gehen konnte. Durch diese Behandlung stand uns diese Familie nah und wir pflegten seit dieser Zeit regen Kontakt. Wenn sie uns einluden und wir Gemeinschaft hatten, sangen wir Lieder und unterhielten uns über Gottes Wort, wenn sie auch wie bisher ihre eignen Koloniegesetze einhielten.
Anna hing sehr an ihrem Mann Isaak Wiebe und sie hatten eine sehr schöne Ehe, bis er plötzlich an Blutkrebs starb. Der Schlag war zu groß und nun hielt Anna sich zu ihren Eltern. Sie war es gewohnt gewesen, sich auf ihren Mann zu verlassen und war deshalb auf Hilfe angewiesen. Ihre Eltern halfen ihr, wo und wie sie konnten. Ungefähr vor etwas mehr als einem Jahr starb der Vater plötzlich, was ein sehr großer Schlag für die Familie war. Kurze Zeit später erlitt die Mutter einen Herzinfarkt und starb auch. Die Familie, die in dieser kurzen Zeit drei liebende, wertvolle Menschen zu Grabe tragen musste, ist jetzt auf sich und ihren Glauben gestellt. Sie glauben an den Herrn, doch lassen die Koloniegesetze es nicht zu, dass der Glaube so ausgelebt wird, wie wir es verstehen. Die Kinder werden, wie es dort üblich ist, in der Kolonie eingegliedert. Es wird nicht gelehrt, den Heiland persönlich zu kennen. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu tun, was von ihnen verlangt wird und ein anständiges Leben zu führen. Wenn ich mich mit Anna unterhalte und wir uns über das Wort Gottes austauschen, dann ist sie einverstanden und freut sich über den Trost.
Sie teilte mit, dass es ihr wichtig wurde, wenn ich ihr eine Bibelstelle mitgab. In einer trostbedürftigen Stunde wünschte ich ihr das bekannte Lied: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der aller treusten Pflege des, der den Himmel lenkt…“ Als ich die Familie erneut besuchte, hatte sie die in meinem Liederbuch fehlenden Verse aus ihrem Liederbuch säuberlich auf einen Zettel abgeschrieben, welchen sie mir nun aushändigte. Es war zu merken, dass sie viel Mühe dafür aufgewendet hatte.
Anna selbst ist in der Kolonie aufgewachsen und kennt es nicht anders. Es wird dort nicht gelehrt, dass sie eine persönliche Erfahrung mit dem Heiland brauchen. Sie haben auch viele gute Traditionen, die in anderen Kulturen verloren gegangen sind, aber sie benötigen die persönliche Beziehung zum Himmlischen Vater. Wenn wir mehr und intensiver darüber sprechen, werden wir in der Kolonie als Eindringlinge gesehen. Eines Tages fragte Anna mich, ob sie sich an uns wenden könne, wenn sie Hilfe brauche (damit meinte sie nicht die finanzielle Unterstützung). Denn wenn es um den wirklichen, persönlichen, bekennenden Glauben geht, gibt es oft Schwierigkeiten.
Es ist eine besondere Seite der Missionsarbeit: Wir haben es mit Menschen zu tun, die denken, dass sie Gläubige seien, die aber keine persönliche Erfahrung der Errettung und Wiedergeburt erlebt haben. Es ist besonders schwer, solchen Menschen zu sagen, dass ihnen noch etwas fehle, weil sie ja selbst eine gewissen Beziehung zu Gott haben, jedoch ohne die Kraft der Geborgenheit in Gott und die tiefe innere Ruhe. Diese wächst erst mit der persönlichen und liebevollen Beziehung zu Gott. Anna hat Angst, etwas nicht so zu tun, wie ihr Mann es getan hätte, also auch nichts gegen die Ordnung der Kolonie. Sie hat Angst, aus ihrem Umfeld zu fallen, zumal sie ganz abhängig von der Hilfe ihrer Verwandten und Bekannten ist. Sie ist sehr gastfreundlich und demütig. Ihr großes Problem besteht darin, dass sie mit der Kolonie und deren Ordnung in Konflikt kommt, wenn sie uns zu offensichtlich bei sich aufnimmt. Wir wollen diese Menschen und besonders Anna in unsere Gebete miteinschließen.
Der kleine Martin:
Der kleine Junge Martin hatte uns aus der Anfangszeit in ganz schlechter Erinnerung. Ganz unfreiwillig musste er uns kennenlernen, doch mittlerweile hat sich seine Einstellung geändert. Er kam zu uns mit einem Beinbruch oberhalb des Knies. Es war eine Operation erforderlich, die allerdings in der Stadt sehr kostspielig gewesen wäre und da sie kein Geld dafür hatten, mussten wir die Operation bei uns auf dem Bett durchführen. Die Eltern waren sehr glücklich, dass sie die Möglichkeit hatten, nach der Behandlung ein Zimmer für die Nacht zu bekommen, damit am nächsten Tag die Kontrolle durchgeführt werden konnte.
Danach entließen wir sie und aus der weiteren Behandlung des kleinen Martin erwuchs eine Bekanntschaft. Schon mehrmals durften wir zum Abendessen zu ihnen kommen. Die Gemeinschaft hat noch nicht den geistlichen Tiefgang, aber wir freuen uns, die Abende mit ihnen zu verbringen. Seine Eltern Martin und Aganetha wandten sich mit weiteren Fragen an uns und so sind wir in guten Kontakt gekommen.
Es bleibt bei der Aufgabe die Menschen zu suchen und dieses Suchen sieht manches Mal so aus, dass es mit einem unfreiwilligen Besuch in der Clinica anfängt.
Familie Heinrich und Susanna Neustädter:
Wir hatten Besuch von Heinrich Neustädter und seiner Frau Susanne. Es fing damit an, dass Susanne zu uns zur Behandlung kam. Dabei entwickelte sich ein Gespräch, in dem sie andeutete, dass wir wahrscheinlich keine Zeit hätten, sie zu besuchen. Daraufhin machten wir einen Termin aus und kamen an dem besagten Abend zu ihnen. Als wir uns als Eltern ins andere Zimmer zurückgezogen hatten, blieben deren und unsere Kinder alleine in der Küche. Ihre älteste Tochter bat unsere Kinder mit ihr plattdeutsch zu singen.
Der Gesang wurde jedoch vom Nachbar belauscht, welcher am nächsten Tag seinen Arbeitskollegen Heinrich darauf ansprach. Es ging jedoch glimpflich für ihn aus. Beim nächsten Termin in der Praxis erzählten sie uns dieses. So machten wir ein weiteres Treffen aus, diesmal bei uns zu Hause, wo wir ungestört singen und nicht belauscht werden konnten. Sie haben schon nach einem weiteren Treffen gefragt, das auch zustande kommen soll, wenn Gott es will. Wenn sie uns zu Hause besuchen, haben wir viel bessere Möglichkeiten auf geistliche Themen zu sprechen zu kommen. Es ist oft der Gesang, der uns dabei hilft. Auch das ist ein Gebetsanliegen.
Jakob Blatz:
Jakobs Jacke wurde in der Walze einer Strohballenpresse eingedreht. Mit dem Arm in dieser Jacke gefangen erlitt er schwere Verletzungen am Ellenbogen und kam damit zu uns in die Behandlung. Als wir ihn am Abend untersuchten und das Ausmaß des Schadens feststellten, war uns klar, dass er erstmal nicht nach Hause konnte. Es bedurfte nicht nur einer chirurgischen Versorgung der Verletzungen, sondern auch einer sorgfältigen Nachsorge, weil ein großes Hautareal in Mitleidenschaft gezogen worden war. Eine Woche haben wir ihn dabehalten und an dem Sonntag die Gemeinschaft mit ihm geteilt. Wir nahmen mit ihm zusammen die tiefere Bedeutung des „Vater unser“ aus dem Evangelium durch und sangen Lieder zusammen. Anschließend waren wir zusammen bei Rebekka und Evita zu Mittag eingeladen und hatten einen sehr schönen Sonntag.
Prediger Johann Klassen und Dietrich Hildebrand:
In der letzten Zeit trug es sich manchmal etwas eigenartig zu: Von der einen Kolonie bekommen wir seitens der Leitung besonderen Widerstand und aus der anderen Kolonie haben wir aufgrund einiger Vorkommnisse eine sehr viel wärmere Atmosphäre mit den Predigern bekommen. Wir sind sehr froh für die Offenheit, doch sind wir nach wie vor sehr vorsichtig mit den Themen, um das zarte Gefüge der Beziehungen nicht zu zerstören.
Menschen, die anfangs unpersönlich und trocken waren, sind jetzt gesprächsoffen und manchmal mit Tränen in den Augen dabei. Das ist viel. Preis sei dem Herrn!
Gott achtet nicht auf die Hautfarbe, er liebt alle:
Vor einigen Jahren wurde in dem gleichen Haus, in dem die medizinische Arbeit getan wurde, die Kinderstunde mit den bolivianischen Kindern aus der Nachbarschaft begonnen. Seitdem ist diese Arbeit in den letzten Jahren gewachsen und es hat sich ein Kreis von etwa 30 Kindern gebildet, die regelmäßig jeden Samstagvormittag zur Kinderstunde kommen. Dazu gibt es immer wieder welche, die nicht so regelmäßig dabei sind.
Einige wenige Kinder kommen selbstständig zu Fuß, während die meisten von ihnen zu weit weg wohnen oder zu klein sind und mit dem Auto abgeholt werden müssen. Hierfür sind meistens zwei Fahrten notwendig, was insgesamt etwa eine Stunde dauert, bis dann um 10 Uhr durchschnittlich 40 Kinder gespannt darauf warten, mit aller Kraft zusammen zu singen, den auswendig gelernten Bibelvers zu erzählen und dafür etwas Süßes zu bekommen und als Wichtigstes die biblische Geschichte zu hören. Hierbei versuchen wir den Kindern die biblischen Geschichten möglichst nahe zu bringen und dabei immer eine Lektion mitzugeben. Das gestaltet sich manches Mal schwierig, weil die Altersspanne von drei bis 16 Jahren reicht. Es erfordert Weisheit von oben, die Geschichte dann so zu erzählen, dass der Fünfjährige, der in der ersten Reihe mit großen Augen zuhört, sie versteht und auch den vier 15 jährigen auf der letzten Reihe nicht langweilig ist.
Nach der eigentlichen Kinderstunde wird draußen zusammen gespielt, was keiner von den Anwesenden verpassen möchte. Manchmal laden die Kinder ihre Freunde und Klassenkameraden ein, sodass es über 60 Kinder sind. Zu anderen Zeiten, wenn es Veranstaltungen in der Schule oder Ferienzeiten gibt, kommen nur etwas mehr als 20 Kinder, aber es sind immer genügend Kinder für eine Kinderstunde da. Wenn wir darüber nachdenken, welches Ausmaß diese Arbeit für das geistliche Leben der Kinder haben kann, so gibt es einen besonderen Ansporn bei dieser Arbeit und auch für die Vorbereitungen dazu.
Die Aufgabe um uns herum:
Einer unserer Nachbarn, Rolando, war ein Mitarbeiter des ehemaligen Besitzers der Missionsstation. Er hat uns viel bei unserem jetzigen Haus geholfen. Eines Tages wurde er sehr krank und kam für längere Zeit ins Krankenhaus. Als er entlassen wurde, ging es ihm noch nicht sehr gut. Wir trafen uns bei seinem Haus und im Gespräch erwähnte er, dass er mit mir über geistliche Dinger reden wollte. Ab und zu half ich ihm, weil er in der letzten Zeit kränklich war und ich hatte vor, mich mit ihm zusammen zu setzen, um mit ihm nach seinem Wunsch die Bibel zu lesen. Wir hatten viel zu tun und ich überlegte, wie wir dieses umsetzen könnten. Da ereilte uns die Nachricht, dass er plötzlich ins Krankenhaus gebracht worden war, wo er bald verstarb, ohne dass wir mit ihm Gottes Wort gelesen hatten, obwohl er davon gesprochen hatte. Dieser Vorfall traf mich sehr tief. Zum einen, weil er ein sehr guter Bekannter war, zum anderen, weil wir mit ihm zusammen Gottes Wort lesen „wollten“. Zu der geistlichen Aufgabe eines jeden von uns gehört auch immer unser Nächster, in unserem Fall sind es auch unsere bolivianischen Nachbarn.
Auch die Eltern der Kinder aus der Kinderstunde fragen öfters nach, wann wir unsere Gottesdienste haben. Wir können Türen, die Gott gerade öffnet, nicht ignorieren.
Der Segen in der Familie und Gemeinde:
Wir sind dem Herrn dankbar, dass wir in diesem Jahr auch ein Tauffest haben durften, wo auch unsere Tochter Damaris eine der vier Täuflingen sein durfte. Wir haben Grund zum Danken, dass der Herr unsere Familie bisher gesegnet, geschützt und getragen hat, obwohl wir nicht viel Zeit miteinander haben. Unser tägliches Gebet ist, dass wir alle zusammen dem Herrn wohlgefällig leben und ihm dort dienen, wo er uns hinstellt.
Familie Johann und Elly Janzen